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Zeitzeugengespräch Leo Schön

Aus Tschechien ins Fränkische vertrieben

Leo Schön berichtet den 9.  Klassen von seiner Vertreibung aus Tschechien 

 

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Am Montag, den 3.7.2017 hatten die Schüler der Klassen 9b und 9c die Gelegenheit, aus allererster Hand von historischen Ereignissen erzählt zu bekommen, über welche sie sonst nur in Büchern lesen können oder die ihnen von ihren (nachgeborenen) Lehrern berichtet werden. Mit Herrn Leo Schön aus Marktrodach war ein Zeitzeuge zu Gast am Gymnasium Burgkunstadt, welcher als Zehnjähriger die Vertreibung aus seinem Heimatort in der Nähe der tschechischen Stadt Brünn miterleben musste und davon den Jugendlichen äußerst anschaulich berichtete.

Unvermittelt von den tschechischen Behörden dazu aufgefordert, ihr Haus zu verlassen, wurden die deutschen Bewohner dazu gezwungen, nur das Notwendigste zu packen und in Güterzüge zu steigen. Diese brachten sie über Prag nach Bayreuth, von wo Herr Schön und seine Familie schließlich nach Oberrodach weitergeleitet wurden, wo sie eine Zweizimmerwohnung beziehen durften – mit nichts als dem, was sie mit sich trugen, ohne Arbeit, Geld oder sozialen Kontakte.

Dass die damit verbundene Trennung von Freunden, Bekannten und Nachbarn in seiner Heimat eine tief greifende Verlusterfahrung darstellte, wurde den Schülern durch die bewegte und bewegende Erzählung Herrn Schöns sehr deutlich. Aber auch andere negative Erfahrungen ließen ihn während seines Berichts immer wieder stocken, so etwa als er den Kontrast zwischen der leer stehenden, kargen Zweizimmerwohnung in Oberrodach und dem beschrieb, was seine Familie in Tschechien besessen und genossen hatte. Oder die verzweifelten Bitten des Zehnjährigen an einen etwa gleichaltrigen Jungen in Oberrodach um ein einfaches Brötchen, welche kalt abgewiesen wurden. Zudem machte der Referent sehr deutlich, wie schwer der Start in einem besiegten und zerstörten Land war, was dazu führte, dass auch mancher schulische oder berufliche Werdegang sich anders entwickelte, als dies ursprünglich geplant war.

In der gelungenen Mischung aus sachlichem Bericht und persönlicher Betroffenheit, welche seinen Vortrag insgesamt prägte, schilderte Herr Schön zudem die Rückkehr an den Ort seiner Kindheit, das Haus seiner Eltern in Tschechien, welche er nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Ost-West-Konflikts unternahm. Hier zeigte sich, wie viel sich dort verändert hatte, und nicht immer zum Guten. Dennoch machte der Referent deutlich, dass auch die Tschechen, welche ihn und seine Familie vertrieben hatten, nicht vom Glück gesegnet waren, sondern jahrzehntelang unter der kommunistischen Führung leiden mussten.

Am Schluss seines Vortrags zog Herr Schön noch einmal den Vergleich mit der heutigen Situation der Flüchtlinge, welche aus anderen Ländern nach Deutschland kommen. Er verwies darauf, dass diese zwar einerseits in ein reiches Land kommen, während seine Familie und er in ein zerstörtes und besiegtes Deutschland vertrieben wurden, andererseits aber ihre Ausgangssituation z. B. aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse sich deutlich schlechter darstellt als ihre eigene nach 1945. Nachdem er abschließend der Hoffnung Ausdruck verliehen hatte, dass sich solche Dinge möglichst nicht wiederholen sollten, bedankten sich die Schüler mit ihrem Applaus für einen wirklich beeindruckenden und bewegenden Vortrag.

 

Bild und Text: Dau