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Ein Rückblick auf das vergangende Schuljahr aus Sicht einer Lehrkraft

Das vergangene Schuljahr war für alle Beteiligten nicht immer einfach. Hier erzählt eine Lehrerin unserer Schule, wie sie die vergangenen Wochen und Monate erlebt hat:

Ein turbulentes Schuljahr neigt sich dem Ende zu, nunmehr das zweite in Folge, das so ganz anders verlaufen ist als alle bisher dagewesenen. Zeit, zurückzublicken auf die vergangenen Monate und auch ein Resümee zu ziehen.

Lehrer, die Deppen der Nation

Durch die Medien geisterten während der Zeit des Distanzunterrichts gruselige Berichte über Schüler, die nichts lernen, über Technik, die nicht funktioniert, über Online-Plattformen, allen voran auch über die vom Gymnasium Burgkunstadt genutzte, mebis, die dauernd abstürzt. Und natürlich über Lehrer, die sich zurücklehnen, kaum etwas arbeiten müssen, da sie ja wie ihre Schüler zu Hause verweilen, und hie und da ihre Schützlinge mit ein paar Dateien bombardieren. So wie Deutschland während der Fußball-EM mit zig kompetenten „Fußballbundestrainern“ aufwarten kann, die alle mehr Ahnung als Jogi Löw davon haben, wer oder was schuld am vorzeitigen Aus der Nationalmannschaft ist, gibt es eine genauso große Anzahl an fachkundigen „Pädagogen“, die immer genau über den Beruf und das Tun bzw. Nichttun der Lehrer Bescheid wissen. Obwohl ich diesen Beruf nun schon seit 17 Jahren ausübe, ärgere ich mich noch immer über das negative Bild, das über Lehrer in weiten Teilen der Gesellschaft vorherrscht, erst recht während der Zeit des Wechselunterrichts im Dezember und der anschließenden langen Phase des Distanzunterrichts. Denn entgegen dieser landläufigen Meinung war das eben nicht der Startschuss zum Füßehochlegen, sondern zum völligen Umdenken und Umgestalten des Unterrichts.

Welches andere Berufsbild hat sich innerhalb so kurzer Zeit so signifikant verändert? In welchem Beruf musste man sich komplett in Eigenregie mit einer neuen Materie beschäftigen, sich auf völlig neue Konditionen einstellen und sich dann auch noch selbst um die erforderliche Hardware kümmern, um schließlich als Buhmann in den Medien dazustehen? Dies wurde wohl nur von wenigen Menschen bedacht, die permanent Lehrer-Bashing betrieben und alles kritisierten.

Doppelbelastung

Zudem war vielen nicht klar, dass auch wir Lehrer Kinder haben, die zu Hause sind, und dass auch wir den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling meistern mussten. Meine Kinder, siebenjährige Zwillinge, besuchen die erste Klasse. Da funktioniert es nicht zu sagen: „Jetzt setzt euch mal hin und füllt die Seiten im Arbeitsheft aus.“ Da muss man danebensitzen, anleiten und anspornen.

Gerade die Zeit des Lockdowns brachte mich, wie so viele andere auch, bisweilen an meine Grenzen. Die Umstellung auf Homeschooling war sehr zeitaufwändig. Viele Unterrichtsmaterialien und -vorbereitungen habe ich in analoger Form und musste sie erst einmal digitalisieren. Dann war es nicht damit getan, ein Arbeitsblatt einzuscannen, sondern man hatte ja auch den Anspruch, einen „gescheiten“ Unterricht zu machen und die Aufgaben in einen Kontext einzubetten. Die Videokonferenzen bereitete ich anhand von PowerPoint-Präsentationen vor, was ebenfalls viel Zeit in Anspruch nahm.

Natürlich will man auch den eigenen Kindern gerecht werden. Wir erhielten von der Grundschullehrerin immer am Sonntag die Aufgaben für die ganze Woche, allerdings nicht in Form eines Wochenplans, sondern als Aufzählung. Wie man sich die Arbeit einteilte, blieb einem selbst überlassen. Deshalb fertigte ich einen Plan an, der für die beiden alles strukturierte und übersichtlicher war. Diesen Plan galt es nun täglich abzuarbeiten – kein leichtes Unterfangen, wo doch Spielen und Malen so viel schöner sind. Doch was vormittags nicht geschafft wird, fällt nachmittags noch schwerer. Wenn nun bei mir aber beispielsweise um 9.30 Uhr eine Videokonferenz anstand, kam ich zeitlich bisweilen sehr in die Bredouille. Ich musste meine Kinder immerzu anspornen, mit ihnen die Aufgaben absolvieren, nebenbei die Konferenzen vorbereiten. Dann galt es für die beiden, Mama während der Konferenzen, von denen ich an manchen Tagen drei hatte, nicht zu stören. Das klappte mal mehr, mal weniger gut. Immer wieder hörte man lautes Geschrei, Gelächter oder Gestreite, manchmal kam auch ein Kind herein, weil es eine Frage hatte, getröstet werden oder einfach schauen wollte. Dies waren für die Schüler vermutlich willkommene Abwechslungen, für mich bedeutete es eine große Anspannung.

Die Perspektivlosigkeit vor allem im Januar und Februar tat ihr übriges zur Belastung.

Die Lernplattform mebis

Diese neue Form von Schule lebte in erster Linie von der Lernplattform mebis, die im Dezember vor allem dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zog, dass sie nicht so funktionierte, wie sie sollte. Obwohl ja absehbar war, dass in der letzten Schulwoche vor den Weihnachtsferien, als die Schulen geschlossen wurden, sehr viele Personen darauf zugreifen würden, schien man sich auf diesen Ansturm nicht ausreichend vorbereitet zu haben. Deshalb war ein Login wegen Überlastung zeitweise überhaupt nicht möglich. Trotzdem hielten wir an dieser Form des digitalen Unterrichts fest, aber verzichteten in diesen Tagen auf den geplanten morgendlichen Weckruf, zu dem sich jeder Schüler bis 8 Uhr auf mebis angemeldet haben musste. Denn hauptsächlich morgens zur ersten Stunde brach die Seite aufgrund der vielen Zugriffe zusammen. Am späteren Vormittag funktionierte alles wieder besser. Schließlich begannen die Weihnachtsferien und man konnte Schule und die damit verbundenen Sorgen, wie es wohl nach der unterrichtsfreien Zeit weitergehen würde, erst einmal ausblenden.

Zu mebis lässt sich sagen, dass es eine schier unerschöpfliche Zahl an Möglichkeiten bietet, den Schülern Material zur Verfügung zu stellen, Lernpfade zu entwickeln, interaktive Übungen einzubauen oder auch in der internen Mediathek auf Videos zuzugreifen. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass diese Plattform in keiner Weise selbsterklärend oder intuitiv zu bedienen ist. Viele Funktionen sind verborgen oder werden durch Begriffe tituliert, die einem Laien nicht auf Anhieb etwas sagen. So verbrachte ich viel Zeit damit, Tutorials im Internet anzuschauen, um zu Beginn der Schulschließung zumindest in der Lage zu sein, meinen Klassen halbwegs ansprechende Inhalte und Aufgabenstellungen hochzuladen, deren Ergebnisse sie mir binnen einer gewissen Frist über mebis zurücksenden sollten. Bereits im September wurde unser Kollegium dazu angehalten, für jedes Fach, das in einer Klasse unterrichtet wurde, Räume auf mebis anzulegen und die Schüler entsprechend einzupflegen. Auch sollte während der Phase des Präsenzunterrichtes in steter Regelmäßigkeit die Lernplattform genutzt werden, sei es für Arbeitsaufträge oder für Arbeitsblätter, um den Umgang damit sowohl auf Schüler- als auch auf Lehrerseite für den erneuten Ernstfall zu trainieren. Denn dass es über kurz oder lang zu erneuten Schulschließungen kommen könnte, stand in Anbetracht der steigenden Infektionszahlen spätestens Ende Oktober außer Frage.

Die Schulen bleiben zu

Zunächst glaubte man ja, dass die Schulschließung nur drei Wochen nach den Weihnachtsferien dauern würde. Das war eine überschaubare Zeit, damit konnte man sich gut arrangieren. Und somit plante ich auch meine Unterrichtsinhalte entsprechend. Mittlerweile lief auch die Plattform mebis recht stabil und die Fertigkeiten, die man sich selbst aneignen musste, verbesserten sich zunehmend. Ich fand Gefallen daran, vor allem in Geographie die Arbeitsaufträge mit Bildmaterial, Fotos und Videos zu gestalten und mein Ehrgeiz wurde geweckt, ansprechende Seiten zu gestalten. Mein Plan war zu dem Zeitpunkt, jeweils ein Drittel der zurückgesandten bzw. auf mebis hochgeladenen Lösungen zu korrigieren. So würde, dachte ich mir, jeder Schüler einmal in diesen drei Wochen ein Feedback von mir erhalten. Doch dann wurde klar, dass der Lockdown verlängert werden würde, und ich musste umdenken, um die Schüler zu motivieren. Erschwert wurde dies jedoch durch den Beschluss des Kultusministeriums, die Faschingsferien entfallen zu lassen zugunsten von Unterricht, der möglichst in Präsenz stattfinden sollte. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass so viel Unterrichtszeit ausgefallen und Stoff versäumt worden sei. Ein Schlag ins Gesicht für alle Schüler, Lehrer, aber in erster Linie für Eltern, die bis dato all ihre Energie investiert hatten, Beruf, Homeoffice, Homeschooling und Haushalt unter einen Hut zu bringen und so dringend eine Verschnaufpause gebraucht hätten. Die Arbeit von uns allen wurde offensichtlich weder gesehen noch wertgeschätzt. In der Faschingswoche selbst führten wir unseren Unterricht entgegen der Prophezeiung des Ministeriums doch wieder in Distanz weiter, setzten aber den allmorgendlichen Weckruf aus, damit die Schüler zumindest ein wenig länger schlafen konnten. Von Schmalspurunterricht oder vom auf die faule Haut Legen konnte jedoch keine Rede sein, so wie dies auch wieder von diversen Medien dargestellt wurde.

Ich versuchte alle zurückgesandten Aufgaben zu korrigieren und ein Feedback an jeden Schüler zu schicken. Das nahm meist den ganzen Freitag und Samstag in Anspruch. Sonntags sollte bis 16 Uhr der Wochenplan für alle Klassen veröffentlicht werden. Bis zu dieser Uhrzeit wollte ich auch alle Arbeitsaufträge hochgeladen haben, um den Schülern genügend Zeit einzuräumen. Die Wochenenden „gehörten“ demnach komplett der Schule.

Referate ohne Publikum

Videokonferenzen, für die unsere Schule das System BigBlueButton nutzt, führte ich in den ersten drei Wochen nach den Weihnachtsferien zunächst nur mit meinem W-Seminar und dem Deutschkurs durch. Im Seminar hatten noch mehrere Schüler ihre mündlichen Präsentationen zur schriftlichen Arbeit zu halten. Eigentlich sollten dazu alle die Möglichkeit vor Weihnachten im Präsenzunterricht bekommen, doch dann machte uns die vorzeitige Schulschließung einen Strich durch die Rechnung. Manch einer mag nun sagen, dass die, die von zu Hause aus ihr Referat am Bildschirm halten konnten, einen Vorteil gehabt hätten, da sie nicht die ganzen Mitschüler und den Lehrer vor sich sitzen hatten, doch davon kann keine Rede sein. Denn zu diesem Zeitpunkt Anfang Januar hatte kaum ein Schüler Erfahrung darin, in einer Videokonferenz seine PowerPoint-Präsentation hochzuladen und zu referieren. Und ohne Publikum redet es sich nicht automatisch leichter. Doch alle Schüler stellten sich dieser Aufgabe mit Bravour.

„Hallo, seid ihr noch da?“

Die Videokonferenzen mit meinem Deutschkurs gestalteten sich indes nicht immer zu meiner Zufriedenheit. Ich selbst war bei den ersten Malen sehr nervös, zumal im Hintergrund meine beiden Kinder oft unüberhörbar zugange waren. Ich loggte mich also ein, startete die Konferenz, lud meine Präsentation hoch, die ich zu nahezu allen Videokonferenzen im Vorfeld angefertigt hatte, um den Faden nicht zu verlieren, und begrüßte meine Schüler. Meist kam dann keine verbale Antwort, sondern im Chat wurde zigmal „Guten Morgen“ geschrieben. Immer wieder versuchte ich mit den Schülern ins Gespräch zu kommen und zu erfragen, wie es ihnen denn ging, doch meist gab es nur wenige Antworten. Ich ließ immer meine Kamera an, so dass ich gesehen werden konnte, denn, so dachte ich, konnte man dem Unterricht besser folgen. Leider wollten aber die Schüler nicht gesehen werden. So quasselte ich munter in meinen Bildschirm hinein, was ein wenig dem Sprechen mit dem eigenen Spiegelbild ähnelte, denn sonst war ja niemand zu sehen. Demnach war auch nicht erkennbar, ob jeder tatsächlich brav vor dem Monitor saß oder vielleicht doch einer anderen Tätigkeit nachging oder eine Serie auf Netflix schaute. Stellte ich eine Frage, wartete ich oft vergeblich auf eine Antwort. Meist sah man, dass jemand im Chat etwas schrieb, man wartete also, doch es erschien keine Antwort. Wie oft ich den Satz sagte: „Ihr könnt auch sprechen. Macht einfach euer Mikro an.“, weiß ich nicht. Oft kam dieser Aufforderung niemand nach. Nur wenn man gezielt Schüler ansprach, funktionierte dies besser. Vor allem die Doppelstunden waren mitunter schon sehr zäh. Jedoch wurden schriftliche Hausaufgaben meist sehr zuverlässig bearbeitet. Ich möchte fast behaupten, dass manch einer mehr Eifer an den Tag legte als zu normalen Unterrichtszeiten. Zumindest schaltete dann später eine Handvoll Schülerinnen ihre Kamera ein, allerdings unter der Voraussetzung, dass nur ich sie sehen konnte. So fühlte ich mich nicht ganz so einsam.

Videokonferenzen machen auch Spaß

Wie herrlich erfrischend war da die erste Videokonferenz mit meiner 5. Klasse in Geographie. Alle Schüler versahen beim Einloggen ihre Namen mit bunten Icons und Emojis, wodurch die Benutzeroberfläche von BigBlueButton auf einmal richtig farbenfroh wurde. Im Chat gingen innerhalb kürzester Zeit zig Nachrichten ein. Und sofort wurde der Wunsch laut, die Kameras anschalten zu dürfen, um sich gegenseitig sehen zu können. Hier wurde sehr deutlich, wie sehr sich die Schüler vermissten, wie sehr sie sich nach der Klasse sehnten. Während sich manche Videokonferenz mit dem Oberstufenkurs wie Kaugummi zog, verging diese Stunde wie im Flug. Immer wieder wurde ich von eifrigen Schülern, die einfach ihre Mikrofone einschalteten und reinquatschten, unterbrochen. Schließlich einigten wir uns darauf, im Status, den jeder aktivieren konnte, die Funktion „Melden“ auszuwählen oder in den Chat zu schreiben, wenn man etwas sagen wollte. Vor lauter Meldungen und „Darf ich?“ wusste ich oft gar nicht, wen ich aufrufen oder etwas lesen lassen sollte. Schließlich fragte gegen Ende der Stunde eine Schülerin, ob sie ihr Haustier, eine Katze, zeigen dürfe. Ich bejahte und daraufhin erschien nicht nur die besagte Schülerin mit Mieze auf der Benutzeroberfläche, sondern nach und nach gesellten sich immer mehr Kinder mit Katze auf dem Arm oder Hamster auf dem Kopf dazu. Das war ein Tag, an dem ich erst so richtig merkte, wie sehr auch ich die Schule und das Miteinander vermisste.

Vorbereitung der Abiturienten

Schließlich fand ab Mitte Februar für die Q12 Wechselunterricht statt. Sollte dies ein Grund zur Freude sein? Natürlich wünschte sich jeder wieder ein Stück Normalität und damit auch eine Rückkehr in den Präsenzunterricht, vor allem für die angehenden Abiturienten. Aber ob dies ein probates Mittel war, bezweifelten viele. Denn schließlich bedeutete dies zum einen für die Schüler, dass nur die Hälfte den Unterricht in der Schule besuchen konnte, zum anderen belastete es die betreffenden Kollegen immens, denn diese mussten nicht nur die andere, zu Hause verweilende Hälfte ihres Kurses auf Distanz unterrichten, sondern sich ja auch weiterhin um ihre anderen Klassen kümmern. Doch wenn man zwei- bis dreimal pro Woche für mehrere Stunden in der Schule ist, kann man nicht gleichzeitig Videokonferenzen abhalten. Dieser Spagat zwischen Schule vor Ort und Homeschooling war sehr kräftezehrend, denn man musste versuchen, allen gerecht zu werden. Auch viele Schüler empfanden Wechselunterricht als die denkbar ungünstigste Variante, denn schließlich hatte sich gerade in der Oberstufe der Online-Unterricht gut eingespielt. Eine Woche später konnte dann aber die gesamte Q12 in Präsenz anwesend sein.

Ich war in diesem Schuljahr keine Kursleiterin in der Q12 und kann deshalb nicht aus eigener Erfahrung beurteilen, wie gut oder weniger gewinnbringend die vergangene Zeit für die Vorbereitung der Abiturienten gelaufen ist. Laut Aussagen von Kollegen aus der Deutsch-Fachschaft aber gab es schon offensichtliche Unterschiede zu den „normalen“ Jahrgängen. Deutlich wurden diese besonders in der Schreibpraxis, bezogen auf das Verfassen von Aufsätzen, die, wie weiter unten nochmals erwähnt, schon sehr gelitten hat. Dadurch, dass bereits im zweiten Halbjahr des vorhergehenden Schuljahres keine Klausuren mehr im Fach Deutsch gefordert waren, tat sich manch einer sicher schwerer. Auch wird für Klausuren mehr und intensiver gelernt. Dieses vertiefte Beschäftigen mit Lerninhalten blieb definitiv – nicht nur in der Oberstufe – oft auf der Strecke. So musste, als dann wieder vollständig zum Präsenzunterricht übergegangen wurde, doch vieles wiederholt und intensiv eingeübt werden, um die Schüler fürs Abitur zu wappnen. Doch alles in allem sprechen die guten Ergebnisse für sich, so dass letztendlich trotzdem ein positives Fazit gezogen werden kann.

Wie sich die beiden Schulschließungen letztendlich auf die Schüler der anderen Jahrgangsstufen ausgewirkt haben, wird sich erst kommendes Schuljahr herausstellen.

Corona ist so nah

Tagein tagaus saß ich in meinem Arbeitszimmer, aus dem ich direkt auf das uns benachbarte Altersheim schauen kann. Anfang Januar wurden die ersten positiven Fälle dort bekannt. Ich erinnere mich gut an die Nacht, nachdem ich davon erfahren hatte. Ich lag lange wach und dachte: Dort drüben wird bald der Tod einziehen. Das war die Zeit, in der ich nicht mehr über unsere vergleichsweise doch sehr komfortable Situation lamentierte. Schließlich waren wir gesund und konnten viel Zeit miteinander verbringen. Ich konnte in Ruhe vom Schreibtisch aus arbeiten und musste mir zudem keine finanziellen Sorgen machen so wie viele andere, die in Kurzarbeit oder gar völlig ohne Einkünfte waren. Ehrfürchtig blickte ich aus meinem Arbeitszimmer zum Altersheim hinüber, in dem sich vermummtes Personal Tag und Nacht um die Menschen kümmerte, die seit Wochen ihre Zimmer nicht mehr verlassen durften und die schwer erkrankt waren. Jeden Tag konnte man weitere sperrangelweit geöffnete Fenster sehen, Fenster, die Tag und Nacht offenstanden, und das bei eisigen Temperaturen. Ein Indiz dafür, dass in dem Zimmer niemand mehr wohnte. Jeden Tag blieben mehr Zimmer dunkel. Irgendwann stand die gesamte erste Etage leer. Dies belastete uns alle sehr, denn dadurch war Corona noch präsenter als ohnehin schon. Während der Videokonferenzen mit meinem Deutschkurs saß ich da, sah nach drüben und unsere Stunden über das „Leben eines Taugenichts“ oder romantische Motive in der Literatur erschienen mir so profan. Ich schämte mich fast dafür, dass ich in dieser Situation war, während nur ein paar Meter weiter die Altenpfleger und später auch Soldaten der Bundeswehr so hart arbeiten mussten und physisch und psychisch an der Grenze ihrer Belastbarkeit waren. Erst Ende Februar entspannte sich die Situation wieder.

Einfach mal ohne Aufsatzkorrekturen

Ohne Zweifel ist es insbesondere für Deutschlehrer ein sehr angenehmer Zustand, nicht jede freie Minute und vor allem die Wochenenden mit Korrekturen von Aufsätzen zu verbringen, zumal es eine traurige Tatsache ist, dass nicht wenige Schüler die zum Teil zahlreichen Rand- und umfangreichen Schlussbemerkungen allerhöchstens überfliegen oder sogar gänzlich ignorieren. Nichtdestotrotz macht man sich aber auch Sorgen bezüglich der Schreibkompetenzen der Schüler, denn Schreiben lernt man nun mal durch Schreiben. Gerade in der Oberstufe liegt der Fokus im Fach Deutsch darauf, im schriftlichen Abitur innerhalb von 315 Minuten einen sehr umfangreichen Aufsatz zu verfassen. Dies ist nicht nur kognitiv, sondern auch motorisch eine sehr herausfordernde Leistung, für die trainiert werden will. Deshalb hielt ich meinen Deutschkurs dazu an, Übungsaufsätze handschriftlich zu verfassen. Doch dieser Aufforderung, die ja auf Freiwilligkeit beruhte, kamen nicht alle nach, und wenn, dann wurden nur recht überschaubare Auszüge ausformuliert. Meist ist es auch so, dass die ohnehin sehr fleißigen und leistungsstarken Schüler solchen Aufgaben eher nachkommen als die, die eigentlich mehr Übung bräuchten. Da in Zeiten des digitalen Unterrichts Stift und Papier durch Tablets abgelöst werden und diese nun auch bei älteren Schülern in den Präsenzunterricht Einzug gehalten haben, geht die Fertigkeit, Handschriftliches in einem größeren Umfang zu verfassen, mehr und mehr flöten.

Hut ab vor den Schülern

Immer wieder konnte man Stimmen vernehmen, die meinten, Schüler würden während der Zeit des Fernunterrichts nichts lernen, den ganzen Tag am Handy zocken oder schlafen. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Ich war sehr erstaunt über die Ausdauer und den Fleiß. Vor allem meine 9. Klasse, die ich in Geographie unterrichte, muss ich hier hervorheben. Ich bin ehrlicherweise davon ausgegangen, dass insbesondere in Nebenfächern der Elan im Distanzunterricht recht schnell schwinden würde, doch nicht so bei dieser Klasse. Jede Woche absolvierten nahezu alle ihre Arbeitsaufträge sehr ordentlich. Einmal verschätzte ich mich den Umfang der Aufgaben betreffend sehr. Es galt sich mit Millenniumsentwicklungszielen auseinanderzusetzen. Als ich dann die hochgeladenen Dateien ansah, stellte ich fest, dass sich manche Schüler hiermit sicherlich mehrere Stunden beschäftigt haben mussten und zum Teil zwei oder drei Heftseiten hochgeladen hatten. Dieser Eifer wurde gebührend mit guten Noten belohnt. Generell möchte ich an dieser Stelle den Fleiß und das Durchhaltevermögen eines Großteils der Schüler hervorheben. Ich bewundere sie wirklich sehr. Im normalen Schulalltag mit dem Strom mitzuschwimmen und täglich angeleitet zu werden, was zu schreiben und zu lernen ist oder welche Aufgaben zu absolvieren sind, mag auch nicht immer leicht sein, aber sich über Monate hinweg selbst zu organisieren und vor allem zu motivieren, dazu gehört eine Menge und davor ziehe ich meinen Hut. Auch wenn bestimmt viel Stoff auf der Strecke geblieben sein mag, in dieser Hinsicht haben die Schüler sicher etwas fürs Leben gelernt.

Ich stelle es mir nicht sonderlich motivierend vor, wenn man Sonntagnachmittag auf mebis den neuen Wochenplan herunterlädt, der die Arbeitsaufträge aller Fächer sowie sämtliche Videokonferenztermine enthält. Das war schon eine unglaubliche Menge, die auf die Klassen eingeprasselt ist.

Rückkehr in die Schule

Nach Ostern konnte zumindest die Q11 wieder in voller Präsenz den Unterricht besuchen. Ich freute mich sehr auf den direkten Austausch und auf Gespräche, die aber in der ersten Stunde so gar nicht in Gang kommen wollten. Es schien fast so, als müssten die Schüler erst wieder sozialisiert werden. Dass man sich an ein volles Klassenzimmer erst wieder gewöhnen musste, ging wohl beiden Seiten so. Mich erschlug die Menge an Menschen in einem Raum zunächst regelrecht. Auch fühlte ich mich nicht sonderlich wohl. Ständig wurde man dazu angehalten, Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und größere Menschenansammlungen zu vermeiden, und dann sollten wir zu zwanzigst den Vormittag in einem Raum miteinander verbringen. Glücklicherweise bekam unser Kollegium ab Mitte April Impfangebote, die die meisten von uns dankbar annahmen.

Die erste Woche nach den Pfingstferien war noch einmal eine große Herausforderung aufgrund der immensen Menschenmenge. Alle Schüler kehrten in den Präsenzunterricht zurück. Überall umgab einen Lärm und Gewusel. Man war das schlichtweg nicht mehr gewohnt. Ich floh sogar in mancher Pause aus dem Lehrerzimmer und suchte einen leeren Klassenraum auf, weil mich der Geräuschpegel überforderte.

Nichtsdestotrotz war es eine große Freude, alle – Schüler und Kollegen – wieder zu sehen.

Ausblick auf den nächsten Herbst

Auch wenn einem von der Politik suggeriert wird, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr zu Schulschließungen kommen werde und dass Präsenzunterricht oberste Priorität habe, schwingt die Angst mit, dass die Infektionszahlen doch wieder schnell steigen könnten. Bereits zum momentanen Zeitpunkt zeichnet sich leider ein solcher Trend ab. Sicherlich sind sowohl Schüler als auch Lehrer mittlerweile um ein Vielfaches besser für dieses Szenario gerüstet als beim ersten Lockdown, dennoch bleibt zu hoffen, dass es nicht mehr zu Distanzunterricht kommen wird. Das Problem ist aus meiner Sicht nicht das Homeschooling an sich, denn dieses lief, zumindest für einen Großteil aller Beteiligten, an unserer Schule doch recht gut. Das Problem liegt viel mehr in der Nachhaltigkeit. Die Aufgaben wurden von den meisten Schülern gut bis sehr gut bearbeitet. Doch blieb vom Schulstoff verhältnismäßig wenig hängen. In mehreren Gesprächen mit Schülern unterschiedlicher Jahrgangsstufen wurde mir bestätigt, dass man von der Zeit des Distanzlernens kaum mehr etwas wisse, sich nur an weniges erinnere. Man absolvierte brav die Arbeitsaufträge, lud sie auf mebis hoch und hakte sie danach ab. Im gewöhnlichen Schulalltag lernt man auf den nächsten Tag oder liest sich den Hefteintrag morgens oder in der Pause schnell noch einmal durch, weil man ja abgefragt werden oder eine Extemporale schreiben könnte, wodurch sich das Gelernte festigt. Dies fällt ohne Notendruck völlig flach. Leider gibt es auch eine gewisse Zahl von Schülern, die einem „durchgerutscht“ sind, von denen man keine Aufgaben zurückgesandt bekommen hat, die einfach abgetaucht sind.

Auch wenn nicht alles am Lockdown schlecht war und ich es genossen habe, so viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen und jeden Tag gemeinsam mittags essen zu können, bleibt trotzdem zu hoffen, dass das kommende Schuljahr ein „normales“ werden möge!